Veranstaltung: | KjG Bundesrat Frühjahr 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 3 Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | DV Paderborn, DV Münster, DV Köln, DV Essen, DV Aachen |
Eingereicht: | 26.03.2023, 11:45 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Kinder- und Jugendarmut beenden - Zeit zu handeln
Beschlusstext
Jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut bedroht und das in einem der
reichsten Länder der Welt. Bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 ist sogar
jede*r Vierte davon betroffen.
Dass das Armutsrisiko junger Menschen seit Jahren auf diesem hohen Niveau
stagniert, zeigt: Das Problem ist strukturell. Studien der Bertelsmann Stiftung
sowie der Monitor Jugendarmut 2022 der BAG KJS bestätigen: Viel zu viele Kinder
und Jugendliche leben in unverschuldeter Armut, werden in diese Verhältnisse
hineingeboren und bekommen nicht genug staatliche Unterstützung. Junge Menschen
sind häufig dann besonders gefährdet, wenn ihre Elternhäuser über geringe
finanzielle Ressourcen verfügen. Die Startchancen von Armut betroffener junger
Menschen in ein selbstbestimmtes Leben sind deutlich eingeschränkter als bei
finanziell besser abgesicherten Menschen.
Der anhaltend hohe Stand der Kinder- und Jugendarmut in Deutschland ist
erschreckend und muss Politik und Zivilgesellschaft zum Handeln bewegen. Denn:
Eine unkomplizierte, verlässliche und solide finanzielle Unterstützung junger
Menschen ist grundlegend für die gesellschaftliche Teilhabe junger Menschen, für
ihre Bildung und ihre Gesundheit. An der Bekämpfung der Kinder- und Jugendarmut
entscheidet sich nicht zuletzt die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft und
Demokratie.
Die UN-Kinderrechtskonvention, die Deutschland bereits 1992 ratifiziert hat, ist
unmissverständlich: Kinder haben ein Recht auf soziale Sicherheit, auf Bildung
und auf gesellschaftliche Teilhabe. Kinder und Jugendliche, die sich ständig
Sorgen um ihre Grundversorgung machen müssen, werden in diesen Rechten
eingeschränkt. Die Armut wirkt sich z.B. auf den Bildungserfolg aus, wodurch aus
Kinderarmut ein lebenslanges Armutsrisiko zu werden droht (3.AWO-ISS-Studie).
Die Konsequenzen treffen aber auch das soziale, politische und
zivilgesellschaftliche Engagement, welches insbesondere in Zeiten vieler
drängender Krisen wichtiger ist denn je!
Kinder- und Jugendarmut ist in seinem Ausmaß ein Problem, das politisch gelöst
werden muss. Um die vielfältigen Dimensionen des Problems effektiv anzugehen,
bedarf es einer Vielzahl von Instrumenten.
Wir fordern von der Bundesregierung:
- Im Angesicht der dramatischen Situation verdeutlichen wir noch einmal die
Dringlichkeit der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention im Grundgesetz.
Die anzustrebende Gesetzeslösung darf nicht hinter der UN-KRK
zurückbleiben. Sie muss eine Vorrang-Formulierung enthalten. Kinderrechte
müssen endlich in deutsches Verfassungsrecht überführt werden!
- Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Armut darf der Zugang zu
keiner Sozialleistung erschwert werden! Es braucht eine unkomplizierte,
automatisierte und bedarfsgerechte Kindergrundsicherung. Diese darf nicht
bloß eine Erhöhung des Kindergeldes darstellen, sondern muss wirksam zur
Bekämpfung des Armutsrisikos der jungen Menschen beitragen. Sie muss sich
daran messen lassen, dass sie faktisch den Kindern und Jugendlichen
zugutekommt.
- Aktuelle Daten der OECD zeigen erneut, dass Chancengleichheit die größte
Herausforderung für das deutsche Bildungssystem bleibt. Denn, in
Deutschland wirkt sich Armut besonders negativ auf die Bildungsleistung
von Kindern und Jugendlichen aus. Diese Ungleichheit setzt sich im
Arbeitsmarkt fort. Deshalb fordern wir, genau wie viele Stiftungen,
Verbände und Gewerkschaften mit einem Nationalen Bildungsgipfel einen
grundlegenden Reformprozess im Bildungswesen einzuleiten. Es braucht
endlich relevante Anstrengungen für mehr Bildungsgerechtigkeit.
- Die Entscheidung für ein Studium darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein.
Leistungen nach dem BAföG müssen wieder mehr Menschen zugänglich und den
Lebensumständen angepasst sein. Dazu ist eine echte BAföG Reform
notwendig, mit der die Leistungen nicht nur elternunabhängig werden,
sondern auch die Bedarfe an die stetig steigenden Kosten angepasst werden
und individuelle Umstände besser berücksichtigt werden.
- Wer sich für eine Ausbildung entscheidet, sollte dann auch eine
entsprechende Ausbildungsmöglichkeit bekommen. Wir unterstützen daher die
Forderung der Gewerkschaftsjugenden und des BDKJ nach einer gesetzlichen
Ausbildungsgarantie mit Umlagefinanzierung mittels eines Zukunftsfonds.
- Die Bekämpfung der Kinder- und Jugendarmut ist keine Verhandlungsmasse.
Die Finanzierung dieses wichtigen Vorhaben muss Priorität haben und darf
nicht gegen andere politische Interessen ausgespielt, oder gar wegen
parteipolitischer Befindlichkeiten missbraucht werden.
Als Kinder- und Jugendverband ist es uns ein unbedingtes Anliegen, dass Kinder
und Jugendliche als gleichberechtigter Teil von Gesellschaft anerkannt sind.
Dazu braucht es gerechte Teilhabemöglichkeiten. In unserer Arbeit steht der
Mensch und seine Fähigkeiten und Bedürfnisse sowie die Entwicklung der
Persönlichkeit im Vordergrund. Auch in unseren verbandlichen Strukturen und
Angeboten bauen wir soziale Ungerechtigkeiten ab.
Es ist Zeit zu handeln.
Deswegen verpflichten wir uns als KjG:
- Unsere eigenen Angebote und Strukturen zu überprüfen und für die Teilhabe
von Kindern und Jugendlichen, die von Armut betroffen sind, optimieren.
- Wir wollen geeignete Sensibilisierungs- und Bildungsmöglichkeiten
schaffen, um Ursachen und Dimensionen von Kinderarmut im Verband zu
thematisieren sowie Handlungsoptionen zu identifizieren, um der
exkludierenden Wirkung von Kinderarmut entgegen zu wirken.
- Durch die Bundesleitung das Thema entsprechend unserer Positionierung in
den BDKJ einzubringen, um eine stärkere politische Schlagkraft zu
erreichen.
Begründung
Erfolgt mündlich.
Quellen:
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.)
Antje Funke, Sarah Menne: Factsheet Kinder- und Jugendarmut in Deutschland 2023, Link
Monitor Jugendarmut. Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. 2022 Link
Gerda Holz/Antje Richter/Werner Wüstendörfer/Dietrich Giering: „Zukunftschancen für Kinder!? – Wirkung von Armut bis zum Ende der Grundschulzeit“. Endbericht der 3. Studie zur Situation 10-Jähriger (Querschnitt) und der Entwicklung der Kinder 1999 bis 2003/04 (Längsschnitt) (ISS-Pontifex 2). Frankfurt a. M. 2006. Link
Interview mit Andread Schleicher, Bildungsdirektor der OECD im Deutschlandfunk vom 29.09.2020. Link
Breiter Apell der Verbände an Bundeskanzler Scholz und die Länderchef*innen für einen nationalen Bildungsgipfel vpm 14.03.2023. Link
Konzept zur Ausbildungsplatzgarantie der DGB Jugend 2021. Link